Werfen wir kurz einen Blick in den Krieg. Stellt sich die Frage: Ging das Kabarett mit
in diesen Krieg, in die Schützengräben? Nicht wirklich, aber als Witz war es nicht
ganz tot. MG-Schütze Wolfgang Neuss trug 1933/34 in den Unterständen vor:
„Herr Hauptmann, rufe ich, Herr Hauptmann! Ich habe sieben Gefangene!
Sagt der Hauptmann: Ist gut. Bring sie her.
Geht nicht, sage ich. Die halten mich fest. “
Nur im Ausland, im Exil, blieb das Kabarett aggressiv. Karl Farkas arbeitete für die
deutsch-sprachige Sendereihe „We fight back“ der Stimme Amerikas. Was er 1942
brachte, wäre in Deutschland tödlich gewesen.
„Was erzählt der Goebbels, der Kleine, stündlich, tagaus, tagein?
Lügen haben kurze Beine, und er hat ein kurzes Bein.
Er lügt ja wie gedruckt, und er druckt, was er lügt. “
Gab es Kabarett in den KZs? Kabarettisten, die es nicht ins Exil geschafft hatten,
wurden inhaftiert, vielfach dort umgebracht. Aber machten sie Kabarett? Ja, machten
sie. Auch Werner Finck saß ein, und zwar im KZ Esterwegen als sogenannter
Schutzhäftling. Er behielt seinen Humor. 1935 erklärte er in einer Conference:
„Ihr werdet euch bestimmt wundern, warum wir so munter und fröhlich
sind. Nun Kameraden, das hat seine Gründe: In Berlin waren wir schon
lange nicht mehr. Immer, wenn wir da aufgetreten sind, hatten wir ein
unangenehmes Gefühl im Rücken. Das war die Furcht, ins KZ zu kommen.
Und seht ihr, jetzt brauchen wir keine Angst mehr zu haben: Wir sind ja
drin! “
Werner Finck hat das Tausendjährige Reich überlebt.
Vor dem drohenden Tod spielten Kabarettisten in der Hoffnung zu überleben. In
ihren Texten drückte sich diese Hoffnung aus. Oder war es nur der Versuch, den
Mithäftlingen Mut zu machen? Fritz Löhner, der unter dem Namen Beda auftrat,
brachte im KZ Buchenwald 1942 den Text „Ich warte“.
„Ich bin ein Häftling, sonst bin ich nix,
Hab keinen Namen, die Nummer X.
Gestreift ist mein Rock, die Hose auch,
Ich schnüre den Riemen um gar keinen Bauch.
Und warte.
(...)
Doch mich frisst kein Tiger, mich schlägt kein Hai,
Der Tod geht täglich an mir vorbei.
An mir beißt der Teufel die Zähne sich aus.
Ich fühl es: ich komm aus der Hölle heraus!
Ich warte. “
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